"In Indien ist man nie allein." Dieser Satz mag wie eine Binsenweisheit klingen. Immerhin ist Indien mit mehr als 1,42 Milliarden Einwohnern aktuell das bevölkerungsreichste Land der Erde. Doch was mit unzähligen Menschen und Autos auf den öffentlichen Straßen zutrifft, gilt auch im Privaten.
Selbst im eigenen Appartement hat man stets jemanden um sich herum - die/der nicht zur eigenen Familie gehört, wohlgemerkt. Ein übliches Beispiel aus unserem Leben hier ist der vergangene Freitag:
Gegen 10 Uhr kommt unsere Maid. Sie hilft uns in der Regel Montag bis Freitag und ist damit die erste Besucherin an diesem Tag. Ihr Erscheinen ist noch am Berechnbarsten, alle folgenden Personen kommen mit maximal flexiblen ( oder gar keinen) Zeitangaben. So wie der Mitarbeiter der Reinigung, der an diesem Vormittag als nächstes klingelt und Kleidung zum Bügeln abholt.
Nummer drei sind dann gegen Mittag die beiden Service-Techniker, die zur Reparatur der Washmaschine eintreffen. Den Abschluss bilden die Gärtner, die diesmal zwei Stunden früher als üblich an der Tür läuten. Kein Problem denke ich, Flexibilität und Erreichbarkeit gehören in Indien dazu.
Viermal an einem Tag Dienstleister im Haus, das ist in Indien alles andere als die Ausnahme. Wenn man bedenkt, dass ich in Deutschland tagsüber maximal dem Postboten öffne, ist diese Zahl umso beeindruckender - und es ginge noch weiter: Elektriker oder Klempner (die Dinge gehen häufiger kaputt in Indien) oder ein Fahrer der vielen Lieferdienste gehen bei uns ebenfalls regelmäßig ein und aus.
Zu Beginn hat es sich gerade mit der Maid befremdlich angefühlt, dauerhaft jemand "fremdes" um sich zu haben. Das kennt man so aus Deutschland nicht. Mit der Zeit gewöhnt man sich natürlich aneinander und lernt sich etwas kennen.
Das ständige und leicht unerwartetet Klingeln an der Tür bleibt aber mindestens irritierend, auch nach einem Jahr Indien. Aber wenn mich die Zeit hier eines gelehrt hat dann, dass man die Dinge nehmen muss, wie sie sind - und, dass man in Indien nie allein ist.
Die vielen Helfer im Alltag verdeutlichen eine weitere Besonderheit: Der Dienstleistungssektor Indiens ist enorm und weit verbeitet.
Lies im Artikel Alles kommt mit einem Service, in wie vielen Bereichen die indische Mittelschicht auf Dienstleister setzt - und warum wir es dennoch vermissen, Dinge einfach selbst zu machen.
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