· 

Indien und seine Prozesse

Indien ist von einer extremen Bürokratie geprägt. Ob diese von den Engländern "eingeschleppt" wurde oder bereits vorher Teil der indischen Kultur war, wissen wir nicht. 

 

So oder so, diese Bürokratie mit den einhergehenden Prozessen macht das Leben hier regelmäßig unnötig schwer. Dass die Prozesse dann aber nur halbwegs verfolgt werden, macht es für uns als Deutsche nochmal wesentlich schwerer zu ertragen. Wir können mit der regelmäßig gefühlten Sinnlosigkeit und Ineffizienz nur schwer umgehen.

 

Ein paar Schmankerl wollen wir hier mal thematisieren:

Der Security Check

2008 gab es einen schweren Anschlag in Mumbai. Terroristen töteten in einem Hotel und an weiteren Orten wahllos Menschen. Es gilt als einer der schwersten Anschläge in der Geschichte Indiens.

 

Aus diesem Grund wurden vor allem in den teureren Hotels, aber auch an den Eingängen von Einkaufszentren und Metro-Stationen Sicherheitskontrollen eingeführt. Taschen werden auf ein Band gelegt und durchleuchtet, man selbst muss durch einen Metalldetektor gehen. Anschließend wird man nochmal mit einem Metalldetektor vom Sicherheitspersonal überprüft. 

 

Schön und gut, es soll der Sicherheit dienen. Aber: die Security-Mitarbeitenden werfen kaum einen Blick auf den Monitor, sie würden keinesfalls ein Messer oder eine Bombe aufspüren. Geht man durch den Metalldetektor ohne zu piepen heißt das aber nicht, dass man weiter gehen kann. Nein, man wird trotzdem mit dem Handdetektor erneut gescannt. Frauen werden nur von weiblichem Personal überprüft, müssen albernerweise dafür aber nochmal in eine Kabine gehen - als würde man sich ausziehen (was natürlich nicht der Fall ist)...

 

Dazu kommt das die manuelle Prüfung so erfolgt, dass das Sicherheitspersonal mit dem Metalldetektor kurz einmal wedelt und man dann - unabhängig vom Ergebnis - durchgewunken wird. Mogelt man sich aber an der manuellen Kontrolle vorbei, ertönt ein Aufschrei. Man muss sich unbedingt "abwedeln" lassen, sonst ist das Protokoll nicht erfüllt.


Dadurch, dass der Prozess so lieblos und unaufmerksam durchgeführt wird, kann man ihn auch gleich weglassen. Hier wird kein potenzieller Terrorist abgeschreckt und keine Gefährdung gefunden, wie man auch an den aktuellen Ereignissen feststellen kann. Mehrere Personen konnten Rauchbomben bis ins indische Parlamant bringen und dort zünden. Verletzt wurde glücklicherweise niemand. 

 

Die ersten paar Male schmunzelt man noch über den Prozess, aber irgendwann nervt es einfach diese Ineffizienz mitmachen zu müssen. 

Aber das ist typisch für Indien, ein Prozess wird durchgeführt ohne nachzudenken - weder ob er effizienter gestaltet werden kann, noch welchen Zweck er eigentlich erfüllen soll. Wie sich das auch hin und wieder im Arbeitsleben darstellt, beschreiben wir noch einmal gesondert.

 

Metro-Station in Bangalore
Metro-Station in Bangalore

Das Airtel Abenteuer

Im Gegensatz zu jedem anderem asiatischen Land, das wir bisher bereist haben gibt, es in Indien für Touristen keine (einfach erhältliche) SIM-Karte. Vielmehr ist die SIM-Karte, bzw. die Telefonnummer mit das wichtigste Identifikationszeichen: Ohne Telefonnummer kein Zugriff auf ein Konto, keine Möglichkeit die Services zu buchen und wahrzunehmen, Schwierigkeiten beim Einkaufen und und und...

 

Aus diesem Grund wird auch ein riesen Brimborium um das Ausstellen einer SIM-Karte gemacht. Anfang des Jahres, nachdem wir unsere FRRO Aufenthaltsgenehmigung erhalten haben, machen wir uns auf in eine Filiale des Anbieters Airtel. Knapp zwei Stunden dauert es und unser Agent Murali hat einiges zu tun, bis sie uns endlich vier SIM-Karten geben. Eine stellen sie auf Martin mit seinem Geburtsnamen aus, was uns noch zum Verhängnis werden soll. 

 

Zu dem Zeitpunkt denken wir uns aber nichts dabei, vielleicht ist es ja in Indien üblich den Geburtsnamen zu nutzen und der Prozess hat eh schon unnormal lange gedauert. Für jede einzelne SIM-Karte bekommt der Airtel-Mitarbeiter einen Rückruf aus irgendeinem Callcenter, dem wir dann vier Mal unsere Namen und Ausweisnummern buchstabieren. Warum das nicht alles auf einmal geht? Naja weil der Prozess für eine SIM- Karte das nunmal so vorsieht. Und nur weil ein Kunde 4 SIM Karten kauft, heißt das nicht, dass der Prozess zusammengefasst werden kann...

Das dicke Ende kommt jetzt im Dezember: unser erstes Visum läuft zum 15.12 aus. Dieses wurde selbstverständlich rechtzeitig verlängert, aber Airtel hat unser Visum scheinbar tief in ihren Systemen verankert. Anfang Dezember bekomme ich also vier Emails, eine pro SIM-Karte, dass unser Visum endet und ich die Verlängerung via E-Mail nachweisen oder einem Mitarbeiter im Store vorlegen soll. Schnell ist die E-Mail mit den erforderlichen Dokumenten abgeschickt und die Sache vergessen. 

 

Ab dem 9.12 beginnt dann ein wahrhaftiger "Mail-Terror". Täglich erhalte ich vier E-Mails mit der Visa-Ende-Warnung. Einmal versuche ich es noch über den Weg per Mail, den Nachweis zu erbringen - erfolglos.

 

Also auf zu einem Store (zum Glück haben die Geschäfte in Indien auch Sonntags geöffnet), aber der Airtel-Mitarbeiter begreift nicht einmal, worum es geht. Montagmorgen geht Martin erneut in einen Store. Der Mitarbeiter tippt eine Stunde geschäftig in seinen Laptop und sagt, es wäre nun ok. 

 

Am nächsten Morgen warten die nächsten vier Mails: das Visum läuft ab, bei fehlender Erneuerung werden die SIM-Karten deaktiviert. Martin fährt also mit Pawan in die Airtel-Zentrale in der Innenstadt, dort könne man das Lösen... Eine Stunde Fahrt, eine Stunde Prozess, eine Stunde zurück. Endlich sollte alles passen; oder nicht?


Am nächsten Morgen, erneut vier Terrormails. Langsam verlieren wir den Verstand.

 

Dann, kurze Zeit später: Heureka! Es kommt eine Bestätigung, drei SIM-Karten wurden verlängert, eine aber nicht. Weil Martins Geburtsname auf der Visaverlängerung nicht auftaucht, sondern der zur Ehe angenommene Name... 

 

Am 15.12 werden dann alle vier SIM-Karten mit Ende des ursprünglichen Visums gesperrt. So eine Inkompetenz und Ineffizienz macht uns einfach nur sprachlos!

 

Fortsetzung folgt...

Kommentar schreiben

Kommentare: 0