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Tag 4 - Abstieg zum Gaumukh

Für uns verläuft die Nacht sehr friedlich,  leider nicht für alle unsere Wandermates. In der Nacht hören wir, wie sich Karthik furchtbar übergeben muss. Er tut uns schrecklich leid. Ob es nun an der Höhe liegt oder an der anderen Mineralienzusammensetzung im Wasser lässt sich nicht feststellen. Sowohl Karthik als auch sein Zeltpartner haben eine harte Nacht, laufen aber am nächsten Tag tapfer weiter.

Über Nacht hat es leicht getröpfelt doch am Morgen lacht die Sonne und vertreibt die letzten Wolkenschwaden. Nach dem Frühstück steigen wir gemeinsam auf eine kleine Anhöhe. Wir genießen andächtig den Moment, Nandita führt uns durch fünf Ohm Shanties. Anschließend dürfen wir eine Postkarte an unser Zukunfts-ich schreiben. Danach folgen die obligatorischen Finisher Bilder.

Der Abstieg erfolgt zügig. Nicht jeder ist einen steilen Abstieg gewohnt, aber trotz so manchem Zögern kommen alle sicher nach unten. Gerade bei den schwierigen Stellen merkt man, wie hilfreich es ist mit vier Guides unterwegs zu sein. So kann individuell auf die einzelne Bedürfnisse eingegangen werden.


Wir erreichen den Gaumukh Gletscher. Dieser ist ein besonders heiliger Ort und unsere indischen Wandermates füllen sich Wasser in Flaschen ab, aus dem Fluss, der hier am Ende der Gletscherzunge beginnt. Dieses Wasser bringen sie Verwandten und Familie mit. Dem Wasser aus der Quelle wird eine heilende Wirkung nachgesagt und so wird es getrunken und in Poojas verwendet.

Öffnung des Gaumukh-Gletschers
Öffnung des Gaumukh-Gletschers

Nach einer längeren Pause legen wir die restlichen Kilometer schnell zurück. Der Weg führt direkt auf der Gletschermoräne entlang. Wie eine Mondlandschaft mutet es an. Felsen, Geröll und feinster Sand wurden vom Gletscher über Jahrhunderte bewegt und nach dessen Rückzug freigelegt. Die weißen Steine reflektieren das Sonnenlicht.

 

Immer wieder bleiben wir stehen, heben einzelne Steine auf und bewundern sie. Manche sind tiefschwarz mit klitzekleinen Glitzerpartikeln, manche durchzogen von rostroten Färbungen, die einen hohen Eisengehalt aufzeigen. Manche Steine sind ganz weiß, von weitem sehen sie aus wie Bergkristalle und wieder andere haben große glitzernde Stücke, welche wohl auch für Schminke professionell abgebaut werden. Wir lassen uns den feinen weißen Sand durch die Finger rinnen, genießen das Gefühl, das von längst vergangenen Tagen am Strand schmeckt. Fossilien finden wir aber trotz eifrigem Schauen nicht. 

Nach einem weiteren kurzen Marsch über die Wiesen erreichen wir wieder die Lore, die uns über den Fluss bringt. Diesesmal geht es wesentlich schneller, unsere Packer haben den Bhagirathi schon vor einigen Stunden überquert und so sind es nur die Teilnehmer zweier Gruppen,  die nach und nach eintrudeln und direkt weitertransportiert werden. 

Im Camp machen wir es uns nach dem Mittagessen im Zelt gemütlich. Nachmittags gehen wir dann gemeinsam Müll rund ums Camp sammeln. Wieder kommt einiges zusammen. Wir möchten ausdrücklich nichts verurteilen. Vor noch einer Generation wurden Lebensmittel in Zeitungspapier und Bananenblättern eingewickelt transportiert. Dieses konnte ohne Zweifel direkt an Ort und Stelle fallengelassen werden und verrottete in kurzer Zeit. Mittlerweile ist hier jedes einzelne Bonbon und Kaugummi, jeder einzelne Keks separat in Plastik verpackt. Was ebenfalls sehr beliebt ist, ist eine Kümmel-Anis-Zucker Mischung, die ebenfalls in kleine Plastiktütchen gepackt ist.

 

Der Müll verrotet halt leider nicht so schnell. Und selbst wenn er nicht weggeworfen werden würde, er muss ja weiter verarbeitet werden, receycelt, professionell verbrannt oder anderweitig umweltschonend entsorgt. Dafür gibt es gar kein großflächig ausgelegtes System in Indien. Es muss also nicht nur Aufklärung erfolgen - noch nicht einmal die Ranger im Nationalpark können Müll richtig trennen - sondern vor allem der Müll systematisch receycelt werden.

 

Zur Müllsammlung nehme ich meine Kamera mit, vielleicht ergeben sich ein-zwei Schnappschüsse. Zurück ins Camp komme ich ohne Kamera. Das realisiere ich auf dem Weg zum Händewaschen. So ein Mist, die Kamera habe ich liegen lassen. Ich renne den Berg hinauf, als mir eine andere Gruppe begegnet. Hastig und ohne Hoffnung frage ich, ob sie eine Kamera gefunden hätten. Und was habe ich für ein Glück, der Führer der Truppe händigt mit meine Kamera aus.


Im Gemeinschaftszelt werden Snacks serviert. Es gibt Pani Puri, was alle sehr freut. Puri sind kleine Chipsbällchen. In diese macht man ein kleines Loch, füllt sie mit Kichererbsen oder Tomaten, Gurken und Zwiebeln (wahrscheinlich gibt es noch tausend andere Zubereitungsarten) und kippt dann ein oder zwei Esslöffel wässriger Soße (Puri) gefüllt und dann schnell und am Stück in den Mund geschoben. Das ist auch mein Lieblingssnack in Indien.

Als wir nach dem Snack wieder aus dem Gemeinschaftszelt herauskommen, sehen wir, dass die Truppe, meine Kamera fand, ihre Zelte sehr nah an unseren aufstellt. Ihr Küchenzelt steht nahezu in unserem Zelt, ein Benzinkocher stinkt uns zu. Wir erkundigen uns wohin die Truppe läuft, einen Benzinkocher schleppt man eigentlich nur mit, wenn es zu kalt für einen Gaskocher wird.

 

Und richtig, diese Gruppe macht eine Expedition auf den Mount Shivling. Zweimal fragt unser Guide Mike ob ich mit möchte, natürlich eher im Scherz, hätte er ein drittes mal gefragt, hätte ich ja gesagt und mal geschaut, was passiert wäre. So aber bleibt uns der Rückzug ins Zelt.

Ein letztes Mal dreht unser Guide Lukas seine allabendliche Runde, fragt jeden einzelnen ob es ihm/ihr gut geht und wünscht eine gute Nacht.


Den ersten Teil unserer Wanderung verpasst? Das ist bereits passiert:

Anreise: Himalaya wir kommen

Tag 1: die Wanderung beginnt 

Tag 2: ein Katzensprung 

Tag 3: zum Fuße des Mount Shivling


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