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Tag 3 - Am Fuße des Mount Shivling

Sechs sieben acht, der Tag beginnt. Während die Sonne langsam aufgeht und die Kühle der Nacht vertreibt beginnen die Bergspitzen zu leuchten. Für uns heißt das: Tee, packen, frühstücken, der Tag beginnt für uns Wanderer. 

 

Heute steht uns nicht nur die Überquerung des Bhagirathi Flusses bevor, sondern auch ein steiler Anstieg zum Tapovan Plateau am Fuße des Mount Shivling.

Den Bhagirathi Fluss zu Fuß zu queren ist unmöglich und der Versuch wäre auf jeden Fall tödlich. Das Wasser sprudelt jetzt, nach der Monsun Zeit braun und wild, zahlreiche Felsbrocken im Wasser verursachen Gegenströmungen. Wir bezweifeln sogar, dass die weltbesten Kajakfahrer damit zurecht kämen, so wild und ungestüm ist dieser Fluss. Mit dem Schmelzwasser im Frühjahr ändert er nicht nur seine Farbe zu einem leuchtenden blau, wie wir es im April in Rishikesh erlebt haben, er führt auch wesentlich mehr Wasser.

 

Vor einigen Jahren musste der Fluss nicht überquert werden, der Weg verlief über den Gletscher selber. Ein Erdrutsch hat den alten Weg zum Gaumukh aber unpassierbar gemacht und so müssen wir aufs gegenüberliegende Ufer ausweichen. Dafür nutzen wir eine Lore. Ein dickes Drahtseil, das über den Fluss gespannt ist und an dem ein Wagen aus schwerem Eisen hängt. Dieser wird per Seil von einer auf die andere Seite geschickt. Das ist harte Arbeit und unsere Träger helfen uns sehr. Schon ohne Inhalt ist der Wagen sehr schwer, wie wir mit Erschrecken feststellen, als wir beim Ziehen helfen.

 

Um auf die andere Seite zu kommen, machen wir den Wagen voll. 6 Personen, Rucksäcke, manchmal hängt sogar noch ein Packer an einem Seil unterhalb des Wagens. Mindestens 300kg müssen so zigmal auf die andere Seite gezogen werden. Wir mischen uns mit einer anderen Wandergruppe, helfen uns gegenseitig und benötigen zweieinhalb Stunden, ehe wir alle endlich auf der anderen Seite sind.


Die ersten paar Kilometer führen über Wiesen sanft bergauf, dann erreichen wir die Baumgrenze und es wird felsig. Es folgt ein steiler Aufstieg über die Steinblöcke, Felsen und loses Geröll. Jeder der Gruppe geht in seinem eigenen Tempo, der ein oder andere verschiebt hier seine Grenzen, sei es mental - Schwindelfreiheit - oder einfach nur körperlich durch den steilen Anstieg in der Sonne mit reduziertem CO2 Gehalt in der Luft.

Hier folgt noch eine Querung eines kleineren Bergbachs. Der Wasserstand ist aber zu hoch, um das trockenen Fußes zu schaffen und so werden Hosen hochgekrempelt und Schuhe ausgezogen und der Bach barfuß überwunden. Martin ist schlauer, er zieht seine Wandersandalen an, ich laufe barfuß. Hier macht sich das Gewicht des Rucksacks zum ersten Mal deutlich bemerkbar, lasten doch nun 10 kg mehr auf meinen zarten Fußsohlen.

 

Unsere indischen Wandermates sind klar im Vorteil, barfuß laufen sind sie gewohnt. Ich stöpsel wie der erste Mensch durch das eiskalte Wasser auf die andere Seite, bin froh über die hilfreich gereichten Hände der Guides und noch froher, als ich meine Schuhe anhabe und meine Füße wieder spüre. 

Durch den Bergbach
Durch den Bergbach

Wir erreichen unser Ziel

Der Aufstieg zieht sich noch etwas, dann erreichen wir endlich das Hochplateau Tapovan auf 4330m Höhe. Der Aufstieg hat sich gelohnt. Vor uns liegt eine herbstliche Wiese, ein Bächlein schlängelt sich sanft hindurch und am Ende reckt sich der heilige Mount Shivling majestätisch in den Himmel. Die Spitzen mit Schnee bedeckt, ein paar Wolken fangen sich an seinen Flanken und die Sonnenstrahlen tauchen die Szenerie in ein magisches Licht. Es ist leicht zu verstehen, warum einige Wanderer hier auf den Felsen sitzen, den Blick Richtung Mount Shivling und meditieren.

Der Name Shivling kommt von den Wörtern Shiva und Linga. Shiva, eine der höchsten Gottheiten im Hinduismus und Linga, Zeichen, Symbol, Ursprung. Der Mount Shivling ist also Symbol und Ursprung des Lord Shiva, welches er geschaffen haben soll um einen Kampf zwischen Brahma und Vishnu, den beiden anderen wichtigsten Göttern im Hinduismus zu schlichten.

 

Rechts neben dem beeindruckendem Mount Shivling erhebt sich Mount Meru im den Himmel. Dieser ist der wichtigste Berg im Buddhismus. 

Links neben Shivling sind wir nun auch den Bhagirathi Schwestern näher gekommen. Die Gipfel all dieser Berge sind noch so verdammt weit oben, während wir uns ja schon auf über 4000m Höhe befinden. Einfach unvorstellbar. 

 

In dieser beeindruckend Landschaft schlagen wir unser Camp auf. Wind zieht auf und wir ziehen schnell mehrere Schichten übereinander, um nicht völlig auszukühlen. Danach stromern wir über die Wiesen und saugen die Magie dieses Ortes in uns auf.

Fotoshooting mit ein paar unserer Träger
Fotoshooting mit ein paar unserer Träger

Zum Tee im Gemeinschaftszelt wird heute Pasta mit Käsesoße serviert. Das schmeckt furchtbar lecker, aber so schaffen wir später unser Abendessen kaum. Nach dem obligatorischen Check von Sauerstoffsättigung und Herzfrequenz bleibt die Gruppe im Zelt sitzen, es werden Spiele gespielt. Darunter auch unser in Deutschland beliebtes "Ich packe meinen Koffer" Spiel. Draußen ist mit der Dämmerung Nebel aufgezogen und im Zelt mit der Gruppe ist es schön gemütlich.

 

Als wir nach dem Abendessen das Gruppenzelt wieder verlassen ist es aufgeklart. Milliarden von Sternen strahlen am Firmament, die Milchstraße zieht sich zwischen Mount Meru und Mount Shivling. Mit diesen beeindruckenden Bildern im Kopf kuscheln wir uns in unsere Schlafsäcke, die Flaschen mit heißem Wasser wärmend auf den Bauch gelegt.


Den ersten Teil unserer Wanderung verpasst? Das ist bereits passiert:

Anreise: Himalaya wir kommen

Tag 1: die Wanderung beginnt 

Tag 2: ein Katzensprung 

 

Und so geht es weiter: Tag 4: Abstieg zum Gaumukh


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Kommentare: 1
  • #1

    Christine (Dienstag, 26 September 2023 17:32)

    Was für ein Abenteuer! Davon kann man lange zehren. Und so wunderschöne Bilder!