Sechs, sieben, acht. Das ist die Taktung mit der der Tag beginnt. Um 6 Uhr stellt das Küchenpersonal einen dampfenden Kessel schwarzen Tee mit viel Zucker auf einen Stein im Camp. Die ersten müden Gestalten kriechen aus ihren Zelten, ihre Tassen fest an sich geklammert, um den Körper mit einem heißem Schluck Tee wieder in Gang zu bekommen.
Um 7 Uhr folgt das Frühstück im Gemeinschaftszelt. Bis dahin sollen alle Rucksäcke fertig verstaut und die Zelte leer sein. Um 8 Uhr beginnt die Tagesetappe. An diesem Morgen erklären die Guides, wie die Zelte abzubauen sind. Das werden wir ab jetzt jeden Morgen selber erledigen. Martin und mir fällt das leicht, schließlich sind wir auf unseren Wanderungen normalerweise nicht nur für den Abbau, sondern auch für den Aufbau verantwortlich.
Aus Neugier helfe ich beim Abbau der Biotoiletten. Für diese wurde ein knietiefes Loch in den Boden gegraben und ein schmales Zelt darüber gestellt. Nachdem man sein Geschäft in das Loch verrichtet hat, streut man Späne darüber. Letztere ist auch für den Geruch auf den Toiletten verantwortlich. Es riecht an diesen Orten nicht unangenehm, vielmehr angenehm nach frischem Holz und Bergluft. Zum Abbau wird das Loch einfach mit der entnommenen Erde zugeschüttet. Die Späne sorgt dafür, dass die Feuchtigkeit entzogen wird und der biologische Abbauprozess einsetzen kann. Papier muss sich jeder selber mitnehmen, die größte Schwierigkeit an dieser Stelle ist es also zu kalkulieren, wie viel man für eine Woche wohl so benötigt.
Die Zelte, Späne, Töpfe, Lebensmittel, Isomatten, Schlafsäcke der anderen, etc werden von 12 nepalesischen Trägern für uns von Camp zu Camp transportiert. Sie binden die einzelnen Gegenstände eng zusammen und befestigen dann einen Tragegurt an dem Paket. Diesen legen sie sich um ihre Stirn und stabilisieren das ganze mit den Händen an beiden Seiten. Das Gewicht schwankt zwischen 45 kg und 75 kg, die sie leichtfüßig und teilweise in Flip-Flops den Berg hinauf tragen.
Um ein Gefühl dafür zu bekommen, binde ich mir eines der Pakete um die Stirn und schaffe es mit Hilfe der Wandergruppe aufzustehen. Ein paar Schritte kann ich gehen, dann muss ich das Gewicht wieder zurück auf den Boden setzen, der Träger übernimmt. Dieses ausprobieren hat mir nochmal ein besseres Gefühl für die Arbeit der Träger gegeben und meinen Respekt für ihre Leistungen noch vermehrt.
Nach dieser Erfahrung schultern auch wir wieder unsere Rucksäcke und marschieren los. 200 Höhenmeter auf 5km Weg, nichts wovor man sich fürchten müsste. Inzwischen lacht die Sonne wieder und vertreibt die Kälte der Nacht. Wir sind in einem Gebiet, in dem es blaue Schafe geben soll, sie lassen sich aber nicht blicken. Wahrscheinlich sieht man sie im Frühjahr besser, wenn sie sich die ersten grünen Sprosse auf den niedrigeren Ebenen holen müssen.
Der Weg schlängelt sich weiter sanft ansteigend an der Flanke des Berges entlang und wir genießen den ständigen Blick auf den rauschenden Fluss. Zum ersten Mal werden nun auch die drei Gipfel des Bhagirathi sichtbar, die eher einfallslos 1, 2 und 3 oder auch die Bhagirathi Sisters genannt werden.
Von Indiahikes haben alle Wanderer unserer Gruppe einen kleinen Beutel für den Bauch bekommen, in dem wir Müll am Wegesrand sammeln können. Und obwohl es ein Nationalpark ist, kommt es uns stellenweise vor wie eine Müllhalde in schöner Umgebung. Am nervigsten sind hunderte von kleinen Bonbon Folien und Kümmel-Anis Mischungen die für die Verdauung gerne gekaut werden. Daneben finden wir kiloweise Tetrapacks, Flaschen, Folien, Gummi, Flip-Flops und weiteren Müll.
Besonders diese Etappe kommt uns verdreckt vor und Martin und ich üben uns in Lunges, machen mit unseren 10kg schweren Rucksack einen Ausfallschritt nach dem nächsten, um den Müll einzusammeln. Ein paar Andere der Gruppe sind ebenso eifrig am Werk und auch wenn es bestimmt nicht viel bringt, weil die nächsten wieder ihren Müll achtlos wegschmeißen, schafft es doch eine gewisse Aufmerksamkeit in der Gruppe und bei anderen Wanderern, die uns beobachten.
Am Ende der gesamten Wanderung werden wir gemeinsam mehr als 15 kg Müll gesammelt und sortiert haben, der hoffentlich in Dehradun richtig receycelt wird.
Wir passieren Stellen mit erhöhter Steinschlagwahrscheinlichkeit und setzen unsere Helme auf. Und tatsächlich müssen wir an einer Stelle pausieren. Eine Gemse, oder vielleicht sogar ein blaues Schaf hat Geröll losgetreten, das nun bergab fällt und weitere lose Steine mit sich reißt.
Nachdem wieder Ruhe eingekehrt ist können wir weiterlaufen und erreichen kurz darauf unser nächstes Camp. Dieses ist deutlich größer als das Letzte. Es gibt sogar ein paar kleine Häuser in denen Übernachtungsplätze angeboten werden, einen kleinen Tempel und ein Haus in dem Yoga und Meditation angeboten werden. Außerdem ein großes Volleyballfeld um das wir campieren. Im Laufe des Nachmittags kommen weitere Zeltgruppen dazu und so ist es mit Trägern und Köchen bald fast so voll wie im Mount Everest Basecamp.
Bonusrunde durch die Berge
Es gibt ein heißes Mittagessen, bevor Martin und ich die Gegend erkunden. Es zieht sich wieder zu, schnell kriechen die Wolken flussaufwärts bis in unser Camp, doch wir wollen nicht den Nachmittag nur frierend im Zelt sitzen.
Also beschließen wir, den alten Pfad zum Gaumukh Gletscher bis zu dem Stück zu laufen, an dem der Weg durch einen Erdrutsch unpassierbar wurde und wir gezwungen sind wieder umzukehren. Dieser kleine Spaziergang war nochmal knapp 6 km lang und beeindruckte durch die Ruhe und die mystische Atmosphäre von den ziehenden Wolken und Nebelfetzen.
Als wir zurück ins Camp kommen ist ein heißes Volleyballspiel im Gange. Es spielen unsere Träger gegen eine Gruppe von Armeeleuten. Es wird laut gerufen und gejubelt und die Spieler sind alle extrem gut. Volleyball auf 3800 m kommt für uns auch nicht alle Tage vor. Zum Vergleich, die Zugspitze ist 2962m über dem Meeresspiegel.
Uns ist inzwischen wieder richtig kalt und den Tee haben wir leider verpasst. Wir ziehen uns in unser Zelt zurück bis wir zum Abendessen wieder im Gemeinschaftszelt eintreffen sollen. Dort werden wieder unsere Werte überprüft. Ein paar Leute haben wenig Appetit und Kopfweh, Martin und mir geht es aber gut, Diamox sei Dank.
Das Abendessen schmeckt wieder sehr lecker und nach dem süßen Dessert sind unsere Gesichter gerötet, die Lebensgeister sind zurück. Wir genießen noch eine Weile den Blick auf den Sternenhimmel und die Milchstraße. Keine Stadt, kein Licht trübt unsere Sicht. Mit diesen Eindrücken kriechen wir wieder in unsere kuscheligen Schlafsäcke. Das Diamox treibt uns zwar noch ein-zweimal raus, trotzdem schlafen wir wieder extrem gut.
Du hast Tag 1 unserer Wanderung verpasst? Dann aber schnell und den Artikel zu den ersten paar Kilometern auf dem Gaumukh Tapovan Trek lesen.
Und so geht es weiter: Tag 3: Zu Fuße des Mount Shivling | Tag 4: Abstieg zum Gaumukh
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