Tag 1 unserer Wanderung startet um kurz vor 6 Uhr. Sie wird uns von Gangotri, zum Gletscher Gaumukh bis zum Tapovan Plateau zu Fuße des heiligen Shivling Berges führen.
Ich habe Halsweh, Schnupfen und Husten, die Erkältung, die ich mir vor ein paar Tagen eingefangen habe, ist noch lange nicht vorbei. Trotzdem möchte ich es versuchen.
Die Tagesetappen sind kurz, die Anstiege pro Tag scheinen sehr überschaubar und ich wollte schon immer ins Himalaya Gebirge. Also packen wir unsere Sachen zusammen und machen uns von unserem Hotel auf den Weg zum Basiscamp, um mit unserer Gruppe zu frühstücken. Wir können noch ein paar Sachen offloaden, d.h. im Camp lassen und so das Gewicht des Rucksacks reduzieren. Wir kommen auf ca 10kg pro Person, tragen aber unsere Schlafsäcke selber.
Als ich morgens ein erstes Bild mit der Kamera mache, kommt der Supergau. Ich habe keine SD Karten dabei. Schweren Herzens möchte ich die Kamera schon im Basislager lassen, da sehe ich, dass Nandita aus unserer Gruppe auch eine Kamera trägt. Sie hat eine zweite SD Karte, die sie mir leihen kann, was für ein Glück.
Nach dem Frühstück folgt eine kurze Einweisung wie man Wanderschuhe schnürt und welche Stocklänge ideal ist. Dann werden die Rucksäcke geschultert und wir stiefeln los. Zuerst laufen wir durch die engen Gassen von Gangotri. Links und rechts werden Snacks, Wasser, Opfergaben und Andenken verkauft. Wir gehen zum Tempel, beten kurz und dann geht es wirklich los.
Kurz hinter der ersten Häuserreihe geht es durch einen Wald steil bergauf. Nach ein paar Metern wird es flacher und ein breiter Weg führt sanft ansteigend an der Flanke des Berges entlang. Wir folgen dem Fluss Bagirathi, der sich aus dem Gletscher zu Fuße des Bhagirathi Mountain speist. Der Gletscher ist Gaumukh, eines der größten Heiligtümer im Hinduismus. Der Fluss wird später durch die Vereinigung mit anderen Flüssen zum Ganges.
Wir erreichen den Nationalpark. Hier wird mir meine Drohne abgenommen und wir zahlen eine Gebühr für die Kamera. Weiter geht der Weg, leicht ansteigend, aber ohne jede Schwierigkeit.
Morgens hatten wir Diamox genommen, ein Mittel, das gegen Höhenkrankheit hilft. Nebenwirkungen sind ein verstärkter Harndrang und Kribbeln in Fingern, Zehen und Lippen. Mittags kribbeln meine Hände so sehr, dass ich fast Schwierigkeiten habe, Dinge zu greifen. Dafür merken wir ansonsten kaum etwas davon, dass wir bereits auf 3500m und somit weit außerhalb des gewohnten Bereichs sind. Uns kommt es zwar so vor als wäre ein bisschen weniger "Luft in der Luft" aber kurzatmig sind wir nicht, wir essen mit Appetit und Kopfweh haben wir nicht.
Es zieht sich zu, fängt an zu regnen und kühlt deutlich ab. Wie frierende Mäuse kuscheln wir uns in einer Rasthütte zusammen und essen unser vorbereitetes Mittagessen, Roti (Pfannenbrot) und Gemüse. 10 Minuten nach dem Mittagessen erreichen wir unser Camp. Die Träger haben bereits alles aufgebaut und vorbereitet und wir kriechen dankbar ins trockene Zelt.
Nach einem kurzen Nickerchen, zieht es uns trotz des Wetters wieder nach draußen. Die Landschaft am Fluss ist traumhaft schön. Wir knipsen ein paar Selfies und Unmengen an Fotos, können uns nicht sattsehen an dieser traumhaften Natur.
Der Herbst hat Einzug erhalten, Gräser wiegen sich sanft im Wind. Dazwischen sind weiße und silberne Blüten, zwischen roten Kleinsträuchern und verstreuten Felsbrocken. Das Wasser des Flusses fließt mit unaufhörlicher Kraft rauschend ins Tal hinunter. Die Berge selbst fallen steil ab. Obwohl wir bereit über dreitausend Meter Höhe sind wachsen noch Bäume. Erst ein paar hundert Meter darüber endet die Baumgrenze und schroffe Felsen ragen in den Himmel und fangen mit ihren spitzen Berggipfeln Wolken ein.
Nach einer Weile wird es kalt und dunkel und wir gehen zurück ins Camp und setzen uns mit unserer Wandergruppe ins Gemeinschaftszelt. Dort wird Herzfrequenz und Sauerstoffsättigung jedes Teilnehmers gemessen, um sicherzustellen, dass keine Anzeichen der Höhenkrankheit übersehen werden.
Im Zelt werden uns die Legenden zum Gaumukh Gletscher, den wir an Tag 4 erreichen werden, erzählt. An diesem Ort schickte Lord Shiva den Fluss Ganges auf die Erde. Das Wasser nahe der Quelle ist heilig und die Wenigen, die diesen Ort erreichen, füllen Wasser in Flaschen ab, um es ihren Familien mitzubringen. Die Spiritualität, die diesen Weg ausmacht und die Hingabe mit der jeder Einzelne aus der Gruppe uns die Legenden erzählt und erklärt macht diese Wanderung zu einem ganz besonderem Erlebnis.
Wir sitzen im Schneidersitz auf dem Boden des Gemeinschaftszelts, jeder mit seiner Schüssel auf dem Schoß, die mit heißem Dal (Linseneintopf) und Reis, sowie Gemüse und Chapathi (flaches Pfannenbrot). Es schmeckt vorzüglich und das heiße Essen tut gut. Es ist doch empfindlich kalt geworden und die durch den Regen feuchtkalte Luft kriecht durch die dünnen Zeltwände unter die Haut bis in die Knochen.
Zum Glück wird bald nach dem Abendessen heißes Wasser angeboten. Dieses füllen wir in unsere Thermoskannen und in zwei nicht isolierte Flaschen. Letztere legen wir in unsere Schlafsäcke, sie fungieren als Wärmflaschen. Das heiße Wasser aus der Thermoskanne trinken wir über die Nacht verteilt, das hält schön warm. Ein letzter Gang im Dunkeln zur Biotoilette, dann kriechen wir in unsere Schlafsäcke.
Der erste Wandertag ist geschafft. Der Treck war wesentlich leichter und die Gruppe wesentlich angenehmer als erwartet. Das gibt uns ein schönes Gefühl für die nächsten Tage. Mit dem sanften Prasseln des Regens schlafen wir ein.
Du hast Lust auf weitere Erlebnisse? Dann mache es dir bequem und lese wie es weitergeht: Tag 2: ein Katzensprung
Die Geschichte des Ganges hat dein Interesse geweckt? Lies hier was wir darüber auf unserer Wanderung erfahren haben.
Die Fahrt nach Gangotri war bereits ein Erlebnis für sich: Anreise nach Gangotri.
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