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Alte Leidenschaft in neuer Umgebung - übers Laufen in Indien

Schon vor Corona und dem Lockdown bin ich dem Laufen verfallen, trotzdem wurde durch die Krise meine Leidenschaft noch weiter angefacht. Das Gefühl stundenlang durch die Landschaft laufen zu können, wenn sich Atemfrequenz und Schritte einander angleichen und man nur noch dem eigenen Rhythmus folgt. Gedanken werden ausgeschaltet, Schritt für Schritt, einatmen, ausatmen. Und selbst wenn sich dieser Flow nicht einstellt, so genieße ich dennoch den Lauf durch die Natur: den Geruch des Waldes oder des Regens auf dem Asphalt, die goldenen Ähren des Weizens, das Zwitschern der Vögel, die kühle Morgenluft.

All diese Dinge gibt es in Indien nicht. Ich habe die Wahl zwischen Laufband und Straße. Wenn wir übers Wochenende wegfahren, versuche ich auf dem Land zu laufen, das ist aber noch gefährlicher als in der Stadt. Auf dem Land sind die Hunde nicht an Läufer gewohnt und so bin ich für sie prima Jagdmaterial und nach nur zwei Versuchen verzichte ich außerhalb Bangalores auf weitere Experimente.

 

Laufen auf dem Laufband ist anstrengend. Selbst ein geringes Tempo ist schweißtreibend, dafür ist es aber gleichzeitig unglaublich langweilig und die Minuten ziehen sich wie Kaugummi. Also bleibt nur eines, die Straßen von Bangalore.

Die KTPO Champions

Zum Glück finde ich nach zwei Monaten in Indien Anschluss an eine Laufgruppe, den KTPO Champions mit Neera als Coach. Die Gruppe trifft sich Dienstags und Donnerstags um 5:30 am, also Morgens. Wir laufen uns gemütlich 1.5km-2km ein, danach folgt ein Lauf ABC, das die Technik verbessert. Anschließend folgt ein Speed Training, ein Intervalltraining oder - was ich ganz besonders gar nicht mag - hill repeats. Letztere machen wir an einem winzigen Hügel direkt um die Ecke. Wenn man den aber hoch sprinted, geht einem doch recht schnell die Puste aus. Am Wochenende macht dann jeder individuell einen Longrun. Die Gruppe gibt mir auf jeden Fall die Motivation mit dem Laufen weiter zu machen und ich finde dadurch nicht nur Gleichgesinnte sondern auch Freunde.

 

Laufen auf den Straßen Bangalores ist trotzdem eine Klasse für sich. Der Linksverkehr ist erstmal kein Problem, nach vier Monaten in Indien bin ich daran gewöhnt. Allerdings halten sich nicht alle daran und so sind doch einige Geisterfahrer unterwegs. An Kreuzungen wird es dann spannend und am Besten behält man einfach 360° im Blick, so kann man dann nicht überrascht werden. Dazu kommt das Hupen. Es gibt das kurze Hupen - "Achtung, Hallo, ich fahr vorbei, nur dass du Bescheid weißt" - und das lange Hupen - "Ich komme und wenn du mir in die Quere kommst ist mir das scheißegal und ich fahr einfach drüber". Ich bin immernoch nicht daran gewöhnt und springe auch beim kurzen Hupen einen halben Meter in die Höhe vor lauter Schreck. Außerdem nimmt sich hier jeder einfach sein Recht, selbst wenn er gar nicht im Recht ist. Autos fahren einfach von einer Nebenstraße auf die Hauptstraße auf, ohne zu schauen, ohne auf den kleinen Laufenden zu achten, der verzweifelt auf sein Runners High hofft.

 

Und das ist der Status: Anzahl der Runners Highs: 0, Anzahl der Crashes:0, Anzahl der Hupen: 100000. Ich leide, ich schnaufe, ich laufe. Und ich freue mich auf die Momente in denen sich meine Hartnäckigkeit und Konstanz auszahlen wird. Ich freue mich auf neue Wettkämpfe, auf neue Bekannte und auf den nächsten Lauf durch Mammendorfs Wälder :).

Laufen in der Gruppe hält die Motivation aufrecht
Laufen in der Gruppe hält die Motivation aufrecht

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